Advent… Advent
„Advent ist die Zeit der Erwartung.“ sage ich und es klingt gut, also schreibe ich es auf. Und als der Satz dann vor mir steht, so schwarz auf weiß, da schaue ich ihn an und sehe mit einem Mal, wie wahr er ist!
Advent ist die Zeit der Erwartung – ist ja klar:
Wir erwarten die Geburt des Herrn Jesus Christus… immer… also regelmäßig am Sonntag und wenn es gut, läuft unter der Woche zumindest manchmal.
Immer aber erwarten wir noch mehr!
Noch viel mehr, denn Advent ist die Zeit – die Zeit schlechthin! – der Erwartung:
Wir erwarten Plätzchen, Christstollen, Lebkuchen und Spekulatius.
Adventskranz und Adventskalender natürlich! Wie sollte es auch ohne Advent werden? Wir erwarten Straßenbeleuchtung und Weihnachtsmärkte: Oh ja, Bratwürste, Crêpes, Zuckerwatte, Punsch bei eiskalten Füßen, das ist Advent.
Wir erwarten, dass irgendwann ein Weihnachtsbaum gekauft wird, das muss sein unbedingt!
Wir erwarten – vielleicht ängstlich hoffend, – dass uns gute Geschenkideen kommen für unseren Lieben. Wir erwarten – bestimmt voller Vorfreude, – dass unsere Lieben gute Geschenkideen haben für uns.
Wir erwarten, dass wir Familie treffen und Freunde, dass wir alle zusammen sind und uns – vielleicht trotzdem – gut verstehen…
Das ist Advent, das ist Weihnachten, das ist die Zeit – die Zeit schlechthin – der Erwartung:
Da sollen die Dinge so sein, wie sie sein sollen.
Da wollen wir die Dinge so haben, wie wir sie haben wollen … stimmt, oder?
Ich glaube, es stimmt. Und ich glaube, das ist mir noch nie so klar geworden wie in diesem Jahr, in dem bestimmte Dinge, die wir wollen; nicht sein sollen:
Weihnachtsmärkte zum Beispiel, das Familientreffen im großen Kreis, die Weihnachtsfeier im großen Stil. Und daran kauen wir: Wie soll denn da Advent sein, wie soll denn da Weihnachten werden? „Das fühlt sich nicht gut an! Das ist doch nicht richtig! Das kann doch nicht sein!“ sagen wir vielleicht.
Und wissen Sie was? Ich kann uns verstehen und trotzdem …
Trotzdem muss und möchte ich uns sagen: Vielleicht geht es bei Weihnachten eigentlich genau darum. Darum, dass die Dinge anders laufen, dass das Leben, dass Gott anders spielt als wir uns das vorstellen, als wir es wollen und erwarten.
Wirklich wahr, denn, überlegen wir mal: Was ist ursprünglich an Weihnachten passiert?
Na? – Genau!
Erstens, war da Maria, eine junge Frau, die einen jungen Mann kennen gelernt hatte: den Josef. Und den Josef, den wollte sie heiraten, mit ihm zusammenziehen, eine Familie gründen und seine – Achtung: seine! – Kinder bekommen.
Klingt nach einem soliden Plan, möchte man sagen.
Erste Schritte waren auch schon getan: Man war verlobt und damit war die Erwartung ganz klar … Tja und dann wurde Maria unerwartet, ungewollt … zumindest von ihrer Seite aus … schwanger … Ich wette, das hat sich auch nicht gut angefühlt! Und viele waren überzeugt, dass es nicht richtig ist, allen voran, der Josef. Der wollte sich sogar heimlich von Maria trennen … Gott ist dann eingeschritten und hat gesagt: „Das Kind ist von mir, aber du heiratest sie trotzdem. Keine Diskussion!“
Und das bringt uns zu: Zweitens:
Josef und Maria gehen nach Bethlehem wegen der Volkszählung.
Klingt harmlos, aber stellen Sie sich das bitte mal bildlich vor:
Die hochschwanger Maria geht oder reitet von mir aus auch auf einem Esel den ganzen ver … schlungenen Weg nach Bethlehem! Ich denke, da war die Erwartung auch ziemlich klar:
„OK, das wird nicht schön, aber wenn wir ankommen, dann gibt es wenigstens ein anständiges Hotel mit einem anständigen Bett!“ Ja netter Gedanke … aber Pustekuchen: Einen Stall gab es.
Und in dem Stall kommen wir zu: Drittens:
Maria muss dort – dort! – ihr Kind auf die Welt bringen. Allein mit Josef.
Was soll sich sagen? – Selbst wenn Maria ein Fan der Hausgeburt war, selbst dann, glaube ich, hätte sie sich doch eine Hebamme gewünscht.
Oder zumindest ihre Mutter, oder eine Tante, eine entfernte Cousine … irgendjemanden mit Geburtserfahrung …Das ist ja nicht zu viel erwartet! Ich nehme an Ochs und Esel waren keine große Hilfe.
Trotzdem aber kam – viertens – das Jesus-Kind unversehrt auf diese Welt:
Der Heiland der Welt war geboren … allerdings erwartete die Welt, dass dieser Heiland, ein zweiter König David wäre. Sie wissen schon: königlich halt, mächtig, reich, stark, ein großer Feldherr. Gute Theorie bis dahin, faktisch war Jesus aber halt ein Säugling in einer Handwerkerfamilie, geboren in einem Stall, in einer dreckigen Krippe in Windeln gewickelt. …
… so viel zu dem, was wir erwarten.
Fest steht aber:
Hätte Maria von Anfang an, direkt, einfach so bekommen, was sie erwartet hat, dann wäre es nicht Weihnachten geworden.
Und so bleibe ich dabei:
Im Advent, an Weihnachten geht es darum, dass die Dinge anderes laufen, dass das Leben, das Gott anders spielt als wir uns das vorstellen, als wir es wollen und erwarten.
So ist das! Doch am Ende wird es – gerade deswegen! Zur Sicherheit noch mal: gerade deswegen! – Weihachten.
Das können wir erwarten.
Und ich glaube, das sollten wir erwarten. Nicht mehr und nicht weniger!
Lasst uns doch abwarten und schauen auf welche unerwartete, wundersame Weise es dieses Jahr Advent und Weihnachten wird.
Herzliche Grüße, Ihre Pfarrerin Eva Mundinar