Ach bleib mit deiner Gnade

Liebe Gemeinde,

die alten Choräle schenken mir in diesem Tagen viel Trost und Zuversicht. Es scheint mir manchmal so, als seien die Melodien und Texte genau für mich, in genau meiner jetzigen Situation verfasst worden. Mit Inbrunst singe ich sie, aus ganzem Herzen – und allein. Gemeinsam singen dürfen wir zur Zeit nicht.

In 2 Wochen ist Ostern – kein Gottesdienst, kein Osterfeuer, kein Taufgedächtnis, keine Mahlfeier – unvorstellbar. Wir brauchen die Hoffnung und die Zuversicht, gerade jetzt.

„Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ, dass uns hinfort nicht schade des bösen Feines List.

 

Ach bleib mit deinem Worte bei uns, Erlöser wert, dass uns sei hier und dorte dein Güt und Heil beschert.

 

Ach bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht; dein Wahrheit und umschanze, damit wir irren nicht.

 

Ach bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr; dein Gnad und alls Vermögen in uns reichlich vermehr.

 

Ach bleib mit deinem Schutze bei uns, du starker Held, dass uns der Feind nicht trutze noch fäll die böse Welt.

 

Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott; Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.

EG 347, 1-6
Text: Josua Stegmann 1627
Melodie: Christus, der ist mein Leben (EG 516)

Die Passionszeit scheint eine neue, für uns andere Dimension zu bekommen. Unser Landesbischof Dr. Bedfort-Strohm hat heute im Interview im Radio gesagt, unsere Situation in der Krise passe doch genau in die Passionszeit. Passionszeit, das ist in den Kirchen seit Jahrhunderten die Zeit zur inneren Einkehr und zum inne halten; Hatte ich mir vorgenommen etwas zu fasten?

Diesmal machen wir alle mit: Ich schränke mich und meine persönliche Freiheit ein, damit ich das Leben gefährdeter Personen nicht bedrohe; denn ich könnte eine Überträgerin dieser schweren Lungenkrankheit sein. Natürlich kommen wir dem nach.

Vielleicht entstehen bei Ihnen auch andere Fragen: Stimmt das, wie ich mein Leben führe? Lebe ich meinen Glauben an Jesus Christus, so, dass ihn auch andere wahrnehmen können? Vertraue ich, dass Gott mein Beten hört?

„Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ“, singen wir in dem Choral – wir bitten Gott um seinen Beistand in Nöten, in schweren Zeiten; wir hoffen, dass er unser Beten hört, in unglaublich anschaulicher Weise werden die Nöte von Menschen, die so viele Jahrhunderte vor mir gelebt haben, beschrieben und besungen.

Jammern auf hohem Niveau – vielleicht. Ich habe ein Heim, eine Familie, einen Freundes- und Bekanntenkreis, genug zu essen, darf zum Einkaufen raus – aber: Wir Menschen leben nicht vom Brot allein. Wir Menschen sind Wesen, die Gemeinschaft brauchen. Wir brauchen andere Menschen ebenso wie auch geistliche Nahrung. Deshalb verfassen wir PfarrerInnen dieses geistliche Wort, jede Woche. Deshalb verteilen wir es in den Seniorenwohnheimen, an interessierte Menschen unserer Gemeinde, und in den geöffneten Kirchen.

Der Beitrag von Mathias Horx im Sonntagsblatt vom 29.03.2020 macht mir Mut: Lassen Sie uns die Perspektive wechseln: Stellen Sie sich vor, wir wären nicht mitten in der Krise, sondern in der Zeit danach: Was für positive, lebensspendende Effekte würden wir wahrnehmen? Sammeln Sie diese doch mal, schreiben Sie sich diese auf. So kann es gelingen aus dem Hamsterrad des Defizitären auszusteigen

Bleiben Sie behütet und gesund bis wir uns wiedersehen. Ich grüße Sie auch im Namen meiner KollegInnen.

Ihre Pfarrerin Sabine Schrick