Freiheit – Was für ein schönes Wort

Für mich klingt es nach: Sommerferien, Spatzenkind-Gezwitscher, Amsel-Lied im Abendbaum; sehnsuchtsvoll, herzensfroh.

Ja, „Freiheit“, ist ein Lieblingswort von mir.
Und nicht nur von mir. Von vielen – so scheint es.
Denn viele gebrauchen es – vor allem im Moment:
„Ich bin frei! Wie kann der Staat es wagen, mir einen Mundschutz vorzuschreiben?“
„Ich bin frei! Wie kann man mich auf Abstand zwingen?“
„Ich bin frei! Wie kann es sein, dass mein Urlaub dieses Jahr umgrenzt sein soll?“
„Ich bin frei! Ich! Ich! Ich!“ sagen sie.

Und ich antworte: „Ich! Ich! Ich!, das ist nicht frei! Das ist Egoismus!
Das ist das innere dreijährige Kind, das sich trotzig auf den Boden wirft: „Ich! Ich! Ich!“
Das ist gefangen: Ein Ich gefangen in sich selbst!

Und was ist das für ein Gefängnis! Es ist winzig! Ja, winzig klein!
Denn wenn ich nur auf mich schaue; wenn ich verkrümmt bin und verkrallt in mich selbst,
dann sehe ich nur mich. All meine Worte, all meine Gedanken, sie kommen alle aus der einen Ecke, die zufällig meine Ecke ist. „Ich! Ich! Ich!“
Da gibt es kein Lernen. Da gibt es kein Wachsen.
Das ist gefangen: Mein Ich gefangen in mir selbst!

Und was ist das für ein Gefängnis! Es ist winzig. Ja, winzig klein.
In meinem Fall hat mein Ich gerade mal 1, 60 m Platz!
Das will doch keiner! Das ist nicht frei.
Nein!

Ich glaube, Freiheit wahre Freiheit – beginnt erst dort, wo ich einen Schritt zurück trete.
„Wo ich von mir selbst absehe, über mich selbst hinaussehe“ so sage ich und ringe,
– ringe um die richtigen Worte …  für diesen Moment …  für das, was ich meine –
ringe um Worte, die ein anderer längst gefunden hat:
„Wo ich von mir selbst absehe, über mich selbst hinaussehe“ so sage ich …
… und Sören Kierkegaard ergänzt: „wo ich mir selbst durchsichtig werde vor Gott.“

Sich selbst durchsichtig werden, sich selbst durch und durch erkennen. Vor Gott.
Sie merken schon: Da ist Wahrheit. Da ist wahre Tiefe.
Da geht es tief, tief hinab bis an den Grund;
den Grund allen Seins und allen Lebens; meinen Grund und deinen Grund: Gott.
Vor Gott. Vor seiner Ewigkeit, seiner Allmacht, seiner Herrlichkeit,
erkenne ich mich durch und durch.

Und ich sehe: In der Tiefe bin ich Nichts!
Mein Ich zerrinnt mir zwischen den Fingern und es bleibt nichts zurück; kein Recht!
Kein Recht auf das, was ich schon erreicht habe.
Kein Recht auf meine Gesundheit, auf mein Leben.
Kein Recht auf meinen nächsten Atemzug.
Nein! Ich habe kein Recht.

Vor Gott erkenne ich mich durch und durch.
Und ich sehe: Meine Hände sind leer:
Sie haben kein Anrecht festzuhalten, keinen Anspruch zu verteidigen.
Meine Hände sind leer, erschreckend leer!
Und ich schaudere. Ich fühle mich klein, so klein und verletzlich … und leicht!

Leicht!
Denn meine Hände sind leer.
Sie haben nichts festzuhalten:
Sie müssen nichts festhalten, nichts verteidigen. Sie dürfen leer sein, frei sein!

Frei!
Wilde, unbändige Freude tanzt in meinem Herzen.
Ich schwebe, während ich fest auf dieser Erde stehe:
Hier gehöre ich hin.
Genau hier. Genau jetzt bin ich frei.
Und ich werfe den Kopf zurück, sehe weit, weit über mich selbst hinaus himmelwärts
und erkenne wie Gott mich beschenkt,
mit dem, was ich schon erreicht habe,
mit meiner Gesundheit, meinem Leben,
mit meinem nächsten Atemzug,

Auf nichts habe ich ein Recht. Auf nichts einen Anspruch.
Alles ist Geschenk.
Und ich nehme es an aus vollstem Herzen und meine Hände bleiben leer, frei
denn sie nehmen als nähmen sie nicht,
sie haben als hätten sie nicht, sie halten als behielten sie nicht,
sie gebrauchen als brauchten sie nicht:
Sie blieben frei. Ich bleibe frei! Für einen kostbaren Moment Vollkommenheit.
Ein erster Anfang …

Ja, ich glaube Freiheit – wahre Freiheit – beginnt erst dort, wo ich einen Schritt zurücktrete,
wo ich von mir selbst absehe, über mich selbst hinaus sehe,
hinaus über die Rechte und Ansprüche, die ich – nur ich – mir selbst zuspreche,
hinaus auf Gott.

Auf Gott, vor dem ich mir selbst durchsichtig werde und durch und durch erkenne,
dass in der Tiefe er mir alles, alles schenkt:
Er gibt mir so viel, dass ich Rücksicht nehmen kann,
Rücksicht auf meinen Nächsten, auf den Schwächeren an meiner Seite,
Rücksicht,
genau hier, genau jetzt in Maskenpflicht, Abstandsregel, Urlaubsbegrenzung,
Rücksicht!

Einfach Rücksicht!
Und ich vergebe mir nichts dabei – und meine Freiheit schon gar nicht!
Denn Jesus Christus spricht: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Zu der Freiheit hat uns Christus befreit.
Amen.

Bleiben Sie behütet-frei,
Ihre Pfarrerin Eva Mundinar