Himmelwärts

Dieses Schlagwort passt seht gut zu Himmelfahrt. Denn nach der Erzählung der Apostelgeschichte ging es an diesem Tag für Jesus tatsächlich himmelwärts. Die Jünger konnten beobachten, wie er vor ihren Augen von einer Wolke aufgenommen wurde und gen Himmel fuhr. Für Jesus ging es von dieser Erde weg, nach oben… aber wohin eigentlich? Die deutsche Sprache erschwert mir, zu verstehen, was an dieser Stelle ausgesagt werden soll. Schuld daran ist die Mehrdeutigkeit des Wortes „Himmel“. In meinem alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnet Himmel den Raum, der sich über der Erde ausspannt, in dem die Wolken ziehen, die Vögel fliegen, einen Raum, den ich als Mensch nur dann betreten kann, wenn ich mich eines technischen Hilfsmittels bediene.

Himmelwärts

Aber genau dieser Himmel ist nicht gemeint, wenn die Apostelgeschichte davon spricht, dass Jesus von einer Wolke aufgenommen worden ist. Jesus wohnt nicht in den Wolken. Dort werde ich ihn auch niemals finden. Wenn hier davon die Rede ist, dass Jesus gen Himmel fuhr, dann ist damit gemeint, dass Jesus in den Bereich Gottes zurückkehrt. Der Himmel ist in diesem Fall also kein Ort, der zu dieser Welt gehört. Himmel bezeichnet vielmehr die Sphäre Gottes und damit seine Wohn- und Wirkstätte. Dorthin kehrt Jesus zurück.

Zurückgeblieben

In unserer Sprache eigentlich kein schönes Wort, wird es doch oft abwertend verwendet. Aber auf die Situation der Jünger trifft es in diesem Moment zu. Denn sie bleiben zurück. Sie können nicht mitkommen an den Ort, an den Jesus gehen wird. Bereits zum zweiten Mal nach Karfreitag werden sie verlassen, ja zurückgelassen. Diesmal (vorläufig) endgültig. Denn plötzlich treten zwei Gestalten unter sie und sagen:

„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“

Apostelgeschichte 1,11

Ein schwacher Trost. Jesus wird wiederkommen, aber wann wird das sein? Und in der Zwischenzeit? Wie sollen wir hier auf dieser Erde zurechtkommen – so ganz ohne ihn? In Jesus ist doch die Verbindung zwischen Himmel und Erde spürbar gegenwärtig gewesen. Gottes Reich ist angebrochen. Aber jetzt? Sind Himmel und Erde etwa wieder entkoppelt?

Zurückgeblieben

Wäre es nicht wunderbar, wenn etwas zurückbleiben könnte vom Himmlischen im Irdischen? Die gute Nachricht ist: Himmel und Erde bleiben miteinander verbunden und das obwohl Jesus in die Sphäre Gottes, seines Vaters, zurückgekehrt ist. In einem Gebet im Johannesevangelium kurz vor seinem Tod bittet Gott seinen Vater um diese bleibende Verbindung, indem er sagt:

Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, dass sie alle eins sein. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“

Johannes 17,20f.

Jesus bittet hier nicht nur für seinen engsten Freundeskreis, sondern darüber hinaus für alle, die an ihn glauben werden. Da fühle auch ich mich angesprochen. Jesus betet für mich und bittet darum, dass ich mit ihm und seinem Vater verbunden sein kann. Ich bin einbezogen in eine göttliche Gemeinschaft. Mir wird deutlich: Himmel und Erde sind nicht entkoppelt, sie sind und bleiben miteinander verbunden, auch über die Himmelfahrt Jesu hinaus. Das heißt für mich auch, dass Gott nicht weltentrückt an irgendeinem fernen Ort weilt, der mit mir und meinem Leben nichts zu tun hat. Nein, Gott ist nicht im Himmel. Der Himmel ist da, wo Jesus ist. Denn im Leben Jesu hat Gott sich selbst ausgelegt. Deshalb realisiert sich der Himmel dort, wo etwas von der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes erfahrbar wird.

Himmelwärts

In den vergangenen, manchmal auch schweren Wochen heißt das für mich: Der Himmel wird dort erfahrbar, wo Menschen das Corona-Virus besiegt und wieder ins Leben zurückgekehrt sind. Der Himmel ereignet sich dort, wo Menschen aus ihrer Ich-Bezogenheit herausgerissen werden und neu den Blick für den Nächsten entdeckt haben, wo sich Initiativen bilden, um Menschen zu unterstützen, die aktuell auf besondere Hilfe angewiesen sind. Und vielleicht ist der Himmel in den vergangenen Wochen sogar darin sichtbar geworden, dass keine Gottesdienste in Kirchenräumen stattgefunden haben. Denn es ist schon immer eine tiefe christliche Überzeugung gewesen, dass der Glaube sich nicht an den Starken orientieren kann, sondern an den Schwachen. Deshalb kann Ich zum Schutz der Menschen, die im Fall einer Infektion besonders betroffen wären, mein Bedürfnis nach einem „realen“ Gottesdienst zurückstellen. Außerdem ist in den vergangenen Wochen etwas ganz Wunderbares geschehen und das gerade, weil es keine Gottesdienste in den Kirchengebäuden gegeben hat. Viele Gemeinden haben sich notgedrungen auf die Suche nach neuen Wegen gemacht, um Menschen mit der schönsten Botschaft der Welt in Berührung zu bringen. Gottesdienste, Predigten, Andachten und viele andere Dinge sind auf einmal über Youtube, Instagramm, Facebook, Radio, Fernsehen usw. kommuniziert worden. Weil Kirche sich auf den Weg gemacht hat, werden auf einmal Menschen erreicht, die sonst keinen Fuß in ein Kirchengebäude setzen würden. Ist das nicht himmlisch?

Himmelwärts

Für mich heißt das: Ich will mich nicht mit dem Evangelium von Jesus Christus hinter Kirchenmauern verstecken, in der Hoffnung, dass irgendjemand schon zu mir kommen wird. Nein! Ich will mit der Frohen Botschaft dort zuhause sein, wo die Menschen sind, mitten im Leben. Denn Gott ist nicht im Himmel! Der Himmel ist da, wo Gott ist.

Ihr Pfarrer Johannes Körner